Selten dämlich die Idee, keine Frage: Im Eintracht-Shop nach einem Kickers-Trikot zu fragen. Der Laden in der Frankfurter Innenstadt hat Leibchen von zahllosen Mannschaften im Angebot, aber sicher nicht von der Truppe aus Offenbach. Nur
hatte das dem Mann, der so dringend ein Kickers-Trikot brauchte, keiner gesagt. So betrat er das Geschäft, blickte etwas ratlos umher und lieferte sich dann mit dem Verkäufer hinter der Ladentheke einen zwangsläufigen Dialog.
Und der ging so: „Guten Tag, ich hätte gern ein Trikot von den Offenbacher Kickers.“, sprach der Mann. Der Verkäufer entgegnete „Hammer net.“ Anschließend kaltes Schweigen. Der Mann war nun etwas irritiert: „Ja, aber – ich dachte – haben Sie denn gar nichts von Off…“. Nun war der Verkäufer bereits erzürnt: „Ich will dieses Wort in diesem Raum nicht hören. Verlassen Sie bitte den Laden.“ Ein schwacher Protest des Kaufwilligen: „Ja, aber“, und dann der finale Satz: „Zu dem Thema gibt’s nix mehr zu sagen. Raus!“ Vor etwa zwei Jahren spielte sich diese Anekdote ab. Begriffen hatten beide Beteiligte nicht allzu viel: Der eine wusste nichts über das gestörte Verhältnis zweier Fußballvereine. Der Horizont des anderen reichte offenbar nur von der Ladentheke bis in den Fanblock.
Wenn auch nicht jeder so humorlos an die Sache mit Offenbach und Frankfurt heranging: Es hatte sich einiges aufgestaut in den 19 Jahren seit dem 26. Februar 1984. Damals spielte Offenbach noch in der Bundesliga. Die Kickers verloren und stiegen später ab. Heute mühen sie sich in der Regionalliga, während die Eintracht in der Ersten Liga nach Luft schnappt. Nun führte das Los die Vereine wieder zusammen – in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals. Auf so eine Partie hatte Hessen, das Kernland des Vereinschaos, lange gewartet. Die Offenbacher tönten, sie hätten neben den erlaubten 20 500 Zuschauern noch locker 100 000 weitere Interessierte gehabt. Die örtlichen Zeitungen überboten sich in den Tagen vor dem Spiel mit Sonderseiten. Das Rhein-Main-Gebiet schwelgte besinnlich in der Vergangenheit – sowieso eine der Lieblingsbeschäftigungen der Anhänger beider Vereine. Doch den Hauptjob der Risikominimierung hatten die über 1000 Polizisten, die rund um das Spiel aufgeboten wurden.
Der Aufstieg zum Bieberer Berg war so gut gesichert wie Fort Knox. Drinnen gelang es nur einmal jemandem aus dem Kickers-Block, die Polizei in Aufregung zu versetzen. Kaum hatte der Fan sein Bengalisches Feuer entzündet, marschierten etwa 100 Polizisten im Gänsemarsch ins Stadion hinein und reihten sich vor dem Zaun auf: Ende der pyrotechnischen Stimmungsmache. So blieb den Fans nichts anderes übrig als sich mit inbrünstigen Gesängen zu schmähen und zwischendurch ein Spiel zu verfolgen, das der Aufregung im Vorfeld gerecht wurde. Alle Pokalfloskeln ließen sich hier anbringen: vom unermüdlichen Kampf des David gegen den verunsicherten Goliath, vom nicht zu sehenden Klassenunterschied undsoweiter.
Die nackten Daten verschleierten da eher: Führung für Offenbach in der 21., Ausgleich in der 55., schließlich 4:3 im Elfmeterschießen für die Eintracht. Was die Statistik nicht nennt, sind die ganzen Torchancen, die beide Teams hatten. Was sie nicht nennt, sind etwa die Zentimeter, die dem Kickers-Torschützen Michael Petry Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit fehlten, um eine ganz Stadt ins Fußball-Nirwana zu befördern. Und was sie nicht erwähnt, ist die einzigartige Atmosphäre dieses Derbys am Main. Da können Dortmund und Schalke, Bayern und 1860 sich jede Saison zwei Mal noch so sehr anstrengen. Ein einziges Spiel als Ventil für 19 Jahre aufgebauten Druck ist nicht zu übertreffen.
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWebnrCssdGsZKielpq7o63CoWSeoZ6pv6Kvx61kn6qRo7inwdGtZG1tXaN6pnuSbm5qaWA%3D